Hamburg Oberbillwerder - The Connected City

Weil die Stadt Hamburg wächst, entwickelt sie derzeit drei, überwiegend landwirtschaftlich genutzte Areale, so auch Oberbillwerder. Hier entstehen fünf klimaneutrale Quartiere mit unterschiedlichem städtebaulichem Charakter.

Steckbrief Oberbillwerder
  • Masterplan: Februar 2019 (Senatsbeschluss)
  • Größe:           118 ha
  • Wohneinheiten: rd. 6.500
  • Arbeitsplätze: rd. 4.000 bis 5.000
  • Anteil Geschosswohnungsbau: rd. 85 %
  • Anteil Stadt- und Einfamilienhäuser: rd. 15 %
  • Wohnen: Hamburger Drittelmix – 1/3 Eigentumswohnungsbau, 1/3 geförderter Mietwohnungsbau, 1/3 freifinanzierter Mietwohnungsbau
  • Beginn Flächenherrichtung: Anfang 2023
  • Beginn Hochbau: 2026
  • Fertigstellung: Mitte der 2040er Jahre

 

(Abbildung 1: Masterplan Oberbillwerder 2019)

 

Im Jahr 2016 wurde die IBA Hamburg mit der Planung und Entwicklung von Oberbillwerder beauftragt. Hintergrund war u. a. der ungebrochene Zuzug neuer Bürgerinnen und Bürger in die Freie und Hansestadt Hamburg. Als Reaktion darauf hat die Stadt ihre auf Innenentwicklung fokussierte Wachstumsstrategie „Mehr Stadt in der Stadt“ erweitert und um die neue Strategie „Mehr Stadt an neuen Orten“ ergänzt. Im Rahmen dieser Strategie werden in Hamburg derzeit drei, überwiegend landwirtschaftlich genutzte Areale entwickelt, so auch Oberbillwerder, Hamburgs 105. Stadtteil. Die für die Entwicklung Oberbillwerders benötigten Flächen liegen sämtlich in städtischer Hand und wurden in eine unter dem Dach der IBA Hamburg eigens gegründete Projektentwicklungsgesellschaft (IPEG) übertragen. Oberbillwerder liegt an der S- und Fernbahntrasse zwischen Hamburg Hauptbahnhof (12 km) und Hamburg-Bergedorf (3 km) und wird mit einem direkten S-Bahnhalt und mehreren Bushaltestellen an den öffentlichen Nahverkehr angebunden.

(Abbildung 2: Lage und Entfernung zur Innenstadt und dem Zentrum Bergedorfs)

(Abbildung 3: freies Feld, Luftbild der aktuellen Situation)

Wettbewerblicher Dialog

Eine Herausforderung für die Entwicklung des Masterplans war die Lage des Projektgebietes, auf einer grünen, landwirtschaftlich genutzten Fläche. Es fehlten Anknüpfungspunkte an eine historische Bausubstanz und damit die Möglichkeit, Strukturen aufzunehmen und weiter zu entwickeln. Die angrenzenden Stadtteile werden räumlich und funktional in die Planung eingebunden, dienen aber nicht als städtebauliche Blaupause für den neuen Stadtteil. Ausgangspunkt für den Masterplan war daher die Kulturlandschaft, eine grün-blaue Freiraumstruktur, aus der heraus der Städtebau entwickelt wurde.

Oberbillwerder soll zu einem urbanen, sozialen, grün und nachhaltigem sowie gemischtem Quartier werden. Die quantitativen und qualitativen Zielvorgaben wurden in einem zweijährigen intensiven Beteiligungsprozess erarbeitet. Um die Beteiligung und den öffentlichen Diskurs auch im anschließenden Wettbewerbsverfahren zu ermöglichen, wurde der Wettbewerbliche Dialog gewählt. Hierbei handelt es sich nicht um einen klassischen Wettbewerb, sondern um ein Vergabeverfahren nach §18 Vergabeverordnung (VGV). Dieses Verfahren ermöglicht eine schrittweise Annäherung an die im vorlaufenden Beteiligungsprozess erarbeiteten Aufgaben und Ziele. Die planerischen Entwürfe konnten dadurch in einem dialogischen, zweiphasigen Prozess entwickelt werden.

Zwölf Teams, bestehend aus Stadtplanerinnen und Stadtplanern sowie (Landschafts-)Architektinnen und Architekten qualifizierten sich aus dem vorgeschalteten EU-weiten Teilnahmewettbewerb für eine erste Dialogphase. Die Erarbeitung der Entwürfe erfolgte in einem interaktiven Prozess. In jeder Dialogphase wurden die Ergebnisse öffentlich vorgestellt, diskutiert und durch die Teams anschließend überarbeitet. Von den zwölf Teams aus der ersten Dialogphase sind vier Teams für die Vertiefung in der zweiten Dialogphase ausgewählt worden.

Aus dieser Phase sind 2018 die Büros Adept (Kopenhagen) mit Karres en Brands (Niederlande) und Transsolar (Deutschland) als Sieger mit dem Entwurf The Connected City hervorgegangen.

Die Besonderheiten des Masterplans – The Connected City

Das Planungsteam hat einen Masterplan entwickelt, der klassische Typologien des Städtebaus wie den Baublock, das Townhouse und das verdichtete Einfamilienhaus anwendet und gleichzeitig neu mischt. Der Baublock ist kleinteilig parzelliert, verspringt in den Höhen, integriert Townhouses und öffnet sich mal mehr und mal weniger zum öffentlichen Raum. Es entstehen so fünf unterschiedliche Quartiere, mit jeweils eigener städtebaulicher Typologie, die je nach Anforderung flexibel ausgestaltet werden können.

Jedes Quartier hat einen eigenen kleinen Quartiersplatz mit einem räumlich angelagerten Mobility Hub, in dem die privaten und öffentlichen Stellplätze untergebracht werden. Der Mobility Hub leistet aber noch mehr: Mit Flächen im Erdgeschoss für öffentlichkeitswirksame Nutzungen wie zum Beispiel für den Einzelhandel, die soziale Infrastruktur, Fahrradabstellplätze und alternative Mobilitätsangebote werden Mobility Hub und Quartiersplatz zu kleinen Quartierszentren. Durch die Konzentration von Stellplätzen in den Mobility Hubs bekommt der öffentliche Straßenraum eine neue Qualität: anstatt parkender Autos gibt es mehr Freiraum für Fußgängerinnen und Fußgänger und Radfahrende. Herzstück von Oberbillwerder ist der Grüne Loop, eine ringförmige Parkstruktur, die die Quartiere verbindet und Raum für unterschiedliche Nutzungen ermöglicht. Alle Kitas und Schulen können über den Grünen Loop fußläufig erreicht werden. Er bietet Platz für Erholung, Spielen oder Sport und dient zudem als Retentionsraum für bis zu 100-jährige Starkregenereignisse.

 

(Abbildung 5.2: Lageplan Quartiere Masterplan Oberbillwerder.)

(Abbildung 5.3: Grüner Loop mit Gemeinschaftseinrichtungen Masterplan Oberbillwerder)

Die Besonderheiten auf einen Blick

  • Fünf Quartiere mit unterschiedlichem städtebaulichem Charakter und Qualitäten, urban im Zentrum und aufgelockert zur Landschaft
  • Mobility Hubs als nachbarschaftliche Zentren an den Quartiersplätzen
  • Straßen, die nicht mehr von parkenden Autos dominiert sind und dadurch zu multifunktionalen Stadträumen werden
  • Großzügiger Freiraum in Form eines Grünen Loops, der als multicodierter Freizeit- und Retentionsraum alle Quartiere miteinander verbindet
  • Bildungseinrichtungen, von der Kita bis zur Universität, mit öffentlichen Angeboten für die Nachbarschaft
  • Vielfältige Sport- und Bewegungsangebote im Rahmen der Hamburger ActiveCity-Strategie
  • Klimaneutraler Stadtteil mit dem Ziel, die CO² Emissionen auf null Prozent zu reduzieren.

(Abbildung 6: Visualisierungen der fünf Quartiere)

Nachhaltige Quartiere

 Die nachhaltige Gestaltung von Oberbillwerder ist Grundlage aller Planungsentscheidungen. Hierbei greift die Gestaltung und Optimierung einzelner Gebäude für die Schaffung einer zukunftsfähigen Stadt zu kurz. Städte mit Zukunft benötigen Quartiere, die mehr sind als eine Summe ihrer Gebäude. Es geht um Fragen des Klimaschutzes und der Klimaanpassung. Das Energiefachplan für Oberbillwerder sieht vor, dass die Energie für die Erzeugung von Wärme für Heizung und Warmwasser im Gebiet regenerativ erzeugt wird. Hierbei ist der Energiebedarf auf dem Energiestandard von KFW 40 ermittelt worden. Die ermittelten Benchmarks wie z.B. Wärmegestehungspreis, Primärenergiefaktor, CO² Anteil, technisches Konzept sind Grundlage weiterführender Verhandlungen mit zukünftigen Konzessionsnehmern.

Weitere Themen der nachhaltigen Quartiersentwicklung ist die Umsetzung nachhaltiger Mobilität, die Förderung von Biodiversität und der sparsame Umgang mit Flächen, in dem man diese mehrfach nutzt. Mehrfachnutzung bedeutet beispielsweise für den Aktivitätspark in Oberbillwerder, dass er gleichzeitig ein Ort der Energiegewinnung ist. Unter dem Spielfeld befinden sich Erdsonden, die als Wärmequelle Energie an die Wärmepumpen liefern.

Umsetzungsstrategie

Der Bezirk Bergedorf ist verantwortlich für die Aufstellung und Erarbeitung des Bebauungsplans. Im Sommer 2019 erfolgte der Aufstellungsbeschluss mit dem Ziel, die Vorweggenehmigungsreife Ende 2022 zu erlangen. Das Planrecht für Oberbillwerder wird durch einen einzigen Bebauungsplan geschaffen, dessen Regelungstiefe auf das Notwendigste beschränkt wird. Die Grundlage für den Bebauungsplan liefern die Funktionspläne, die parallel im Maßstab 1:1.000 in der Verantwortung der IBA Hamburg erarbeitet werden. In diesen Planwerken erfolgt die technische und städtebauliche Vertiefung des Masterplans. Aufgrund der Größe des Plangebietes werden die Funktionspläne abschnittsweise erarbeitet. Parallel werden mit Hilfe eines Gestaltungsleitfadens Regeln für die Bebauung aufgestellt, um den roten Faden für die städtebauliche Entwicklung der fünf Quartiere vor dem Hintergrund des langen Entwicklungszeitraums der Quartiere sicherzustellen.

Herausforderungen in der Umsetzung

Eine lange Entwicklungszeit ist gut, denn sie spiegelt einen Wachstumsprozess wider, der nicht am Reißbrett organisiert und abgearbeitet wird, sondern geprägt ist durch demokratische Verhandlungsstrategien, beginnend bei der Planung bis hin zur kleinteiligen Grundstücksvergabe an eine vielfältige Bauherrenschaft. Gleichzeitig beinhaltet dieser Entwicklungshorizont aber auch große Herausforderungen für die Steuerung des Prozesses. Es gibt innere und äußere Gelingensbedingungen, um die Planung von großen Quartieren qualitativ gut umsetzen zu können. Zu den äußeren Rahmenbedingen gehören u. a., dass die in der Verantwortung stehenden Planenden die Unterstützung durch die zuständigen Verwaltungsstrukturen erhalten, um innovative Ansätze und bauliche Qualitäten umsetzen zu können. Zu den inneren Rahmenbedingen gehören u. a. Qualifizierungsprozesse, die sicherstellen, dass die Grundstücke erst dann veräußert werden, wenn der prämierte Entwurf per Baugenehmigung gesichert ist und dieser darüber hinaus bis zur Ausführung begleitet und abgeglichen wird.