Seit 2017 steigt die Zahl der Hungernden auf der Welt wieder. Armut, Kriege und Naturkatastrophen bedrohen die Ernährungssicherheit vor allem in Afrika und im Süden Asiens.
Im Jahr 2015 hat sich die Weltgemeinschaft das Ziel gesetzt, Hunger und Mangelernährung bis zum Jahr 2030 zu beseitigen. Die Zahlen der UN-Organisation für Landwirtschaft und Ernährung (FAO) beschreiben jedoch einen gegenteiligen Trend. Seit 2017 nehmen Hunger und Mangelernährung wieder zu. Im Jahr 2020 hatten 768 Millionen Menschen zu wenig zu essen, fast zehn Prozent der Weltbevölkerung. Ein zentraler Grund dafür ist Armut. Weltweit leben etwa 1,8 Milliarden Menschen in Armut und müssen mit weniger als 3,20 US-Dollar am Tag auskommen, knapp 700 Millionen Menschen sind extremer Armut ausgesetzt und haben weniger als 1,90 US-Dollar täglich zur Verfügung.
Die Corona-Epidemie hat diese Lage verschärft. Die Weltbank geht davon aus, dass durch COVID–19 fast 100 Millionen Menschen zusätzlich in die Armut gerutscht sind, im Jahresvergleich 2019 und 2020 ist das eine Steigerung um 12 Prozent. Die Epidemie hat beinahe auf der ganzen Welt einen ökonomischen Abschwung ausgelöst. Lockdowns, der Verlust von Arbeitsplätzen, sinkende Investitionen und Exporte sowie ein Einbruch im Tourismussektor haben in vielen Ländern zu gravierenden Einkommensverlusten geführt und die Armut verschärft.
Während die Bevölkerung in den Industrieländern seit Langem im Durchschnitt einen immer kleineren Teil ihres Einkommens für Nahrungsmittel ausgeben muss, verwenden arme Haushalte im globalen Süden den größten Teil ihres Einkommens für Essen. Steigende Preise für Nahrungsmittel sind daher eine akute Bedrohung für eine sichere Ernährung. Der von der FAO erhobene Preisindex für Nahrungsmittel steigt kontinuierlich und liegt inzwischen um 33 Prozent höher als vor einem Jahr.
Der größte Teil der armen Menschen lebt auf dem Land und von der Landwirtschaft. In vielen Ländern des globalen Südens arbeiten weit mehr als 50 Prozent der Menschen in der Landwirtschaft. Sie bietet dort nicht nur Nahrungsmittel, sondern auch Arbeit. Beschäftigungsintensive, kleinbäuerliche Strukturen bleiben daher auf absehbare Zeit zentral, um Armut zu bekämpfen. Allerdings rückt auch die Lage der Armen in den Städten zunehmend in den Fokus.
Während 1980 noch unter 40 Prozent der Menschheit in Städten lebten, waren es im Jahr 2020 schon mehr als 56 Prozent. Das bedeutet, dass Städte Teil einer umfassenden Strategie im Kampf gegen den Hunger sein müssen und etwa urbane Landwirtschaft gefördert werden sollte. Sie schafft Beschäftigung in Produktion, Verarbeitung und Vermarktung. Lokale Initiativen für urbane Landwirtschaft verbessern dabei insbesondere die Einkommensmöglichkeiten für Frauen.
Die FAO hat 2021 unterstrichen, dass Hunger im Kern auf Armut und Ungleichheiten zurückzuführen ist. Hunger bekämpfen heißt deswegen auch, Ungleichheit zu bekämpfen. Die Landrechte von vulnerablen – also besonders verletzlichen – Gruppen müssen deswegen anerkannt und gesichert werden. Das beugt chronischer Armut vor und ermöglicht Investitionen in nachhaltige Landnutzung. Langfristige Investitionen in Klimaanpassungsmaßnahmen werden auch für Menschen, die kleine Agrarbetriebe oder Landflächen besitzen, rentabel, wenn ihre Landrechte gesichert sind. Besonders wichtig ist es, Frauen einen sicheren Zugang zu Land zu verschaffen. Die Bekämpfung von Ungleichheit ist auch in der Familie zentral. Grundsätzlich wirkt sich Gleichberechtigung positiv auf die Ernährungssicherung des Haushalts und das Wohl von Kindern aus.
Menschen, die in Armut leben, sind weniger resilient. Sie können schlechter auf akute ökonomische oder ökologische Krisen reagieren. Dies ist gravierend, da die Häufigkeit und Intensität ökologischer Krisen stark zugenommen hat. Seit 1960 hat sich die Zahl der Naturkatastrophen weltweit verzehnfacht. Für Millionen Menschen weltweit bedeutet der Klimawandel häufigere und intensivere Überschwemmungen, Dürren und Stürme, die jedes Jahr bis zu 90 Prozent aller klimabedingten Katastrophen ausmachen.
Vor allem im globalen Süden leben etwa eine Milliarde Menschen in Ländern, deren öffentliche Strukturen nicht mit den zu erwartenden ökologischen Krisen bis 2050 umgehen können. Um die Herausforderungen des Klimawandels zu bewältigen, sind systemische Ansätze wie die Agrarökologie nötig, die Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion ganzheitlich betrachten. Nur den Fokus auf einzelne Faktoren der landwirtschaftlichen Produktion zu legen, zum Beispiel die Entwicklung dürretoleranter Pflanzen, ist unzureichend.
Häufig werden ökonomische und ökologische Krisen durch gewaltsame Konflikte verschlimmert. In vielen Ländern treten diese Krisen in Kombination auf. Die Weltgemeinschaft kann Hunger, Mangel- und Fehlernährung deshalb nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie die Fähigkeit vulnerabler Gruppen erhöht, auf Krisen zu reagieren und ihnen den Zugang zu Nahrung sichert. Ein alleiniger Fokus auf Produktivität in der Landwirtschaft reicht nicht. Politik gegen den Hunger kann nur dann erfolgreich sein, wenn sie Resilienz befördert.